Gesellschaft & Wissenschaft
„Das geht gegen mein Demokratieverständnis“ — Anwohner*innen über die Umbenennung der Prinz-Eugen-Straße
25. März 2025
In unserer Schul-Straße wird derzeit ein Thema heiß diskutiert: die geplante Umbenennung der Prinz-Eugen-Straße. Die Stadtverwaltung hat sich für die Umbenennung entschieden, weil der Straßenname während der Zeit des Nationalsozialismus vergeben wurde, als Prinz Eugen nicht nur von den Nationalsozialisten idealisiert, sondern auch als Vorbild verehrt wurde. Aber nicht alle Anwohner*innen teilen die Einstellung der Stadt — mit Leserbriefen, Interviews, ausführlicher Recherche, Fernsehbesuchen, einer Petition und weiteren Versuchen den Namen beizubehalten, positionieren sie sich klar gegen die Umbenennung ihrer Prinz-Eugen-Straße.

© Anja Hamsink
„Prinz Eugen erhielt 1697 den Oberbefehl über die österreichischen Truppen im Kampf gegen das Osmanische Reich. Diese Kriege wurden später als sog. “Türkenkriege” und Prinz Eugen als “Türkenkrieger/-sieger” bezeichnet. Damit sollte an den Kriegsgegner nur als „den Anderen“ gedacht werden, der aus dem Kreis der zivilisierten Völker ausgegrenzt ist. Das NS-Regime nutzte diese Vereinnahmung Eugens, um Hitler mit Prinz Eugen gleichzusetzen und die Verbindung von Rassenideologie und Geopolitik zu verbinden", so begründet die Stadtverwaltung ihre Entscheidung.
Die Umbenennung ist für viele Anwohner*innen schwer nachvollziehbar. Ein Konflikt war also unvermeidbar. Im Namen der Schülerzeitung begaben wir uns nun eigens auf Recherche und befragten die Anwohner*innen zu diesem Thema. Da das Wilhelm-Hittorf-Gymnasium auf der Prinz-Eugen-Straße liegt, ist schließlich auch die Schülerschaft von diesem komplexen Thema betroffen.
In der Hoffnung, dass wir nicht sofort wieder auf der Türschwelle umkehren mussten, klingelten wir an den verschiedensten, schön dekorierten Häusern der Prinz-Eugen-Straße und hatten das Privileg, uns die unterschiedlichsten Meinungen anzuhören. Wir konnten zahlreiche interessante Perspektiven einholen, die uns einen neuen Blickwinkel auf das spannende und kontroverse Thema der angekündigten Umbenennung gab.
„Wir sind extrem dagegen“, erklärte uns eine Anwohnerin sofort, „Wir sind alle dagegen.“ Eine Ansicht, die in der Straße nach unserem Eindruck stark vertreten ist. Während die Stadt die Umbenennung als Maßnahme zur Aufarbeitung der Geschichte sieht, scheinen viele Anwohner*innen den Standpunkt zu vertreten, dass „Löschung keine Lösung“ sei. Sie wünschen sich einen ausführlicheren Diskurs über eine so facettenreiche Persönlichkeit wie Prinz Eugen. Die Aufgabe einer Gesellschaft, so viele Anwohner*innen, sei es, aufgeklärte Gespräche über historische Personen zu führen, anstatt sie in Vergessenheit geraten zu lassen.
Ein Anwohner stellte zudem klar, dass es nicht um die Verherrlichung von Prinz Eugen geht, sondern um das Verständnis einer komplexen Persönlichkeit. „Das ist kein Adolf Hitler, das ist kein Joseph Goebbels“, sagte er, „Das ist Prinz Eugen!“ Es gehe darum, ihn als das zu sehen, was er gewesen sei: ein Produkt seiner Zeit, geprägt von persönlichen und politischen Konflikten. In Österreich, so berichtete er, werde Prinz Eugen wegen seiner persönlichen Geschichte, einschließlich seiner Homosexualität, als Held gefeiert – eine Perspektive, die in Deutschland zurzeit nicht präsent ist. Viele fordern einen respektvollen Diskurs über eine historische Persönlichkeit, die so viel mehr zu bieten habe als den problematischen Titel des „Türkensiegers“.
Hin und wieder sind uns allerdings auch abweichende Meinungen begegnet. Ein Anwohner erzählte uns, er teile die Ansicht der Stadtverwaltung vollkommen; Straßen sollten für ihn nach Vorbildern benannt werden, ein „Monarchist und Kriegstreiber“ wie Prinz Eugen sollte so eine Ehrung nicht erhalten. „Mich verbindet nichts mit der Monarchie“, hörten wir von ihm.
Andere Menschen hatten sich mit dem Thema weniger beschäftigt, oder vertraten eine ambivalente oder neutrale Meinung. Eine Anwohnerin hoffte nur, dass die Straße nach der Umbenennung einen schönen Namen erhielte. Auch andere sahen nicht die Umbenennung selbst als das Problem, sondern störten sich vielmehr an dem Verhalten der Stadtverwaltung.
Nach den Gesprächen mit den Anwohner*innen hatten wir auch das gut verstanden: es geht um mehr als Prinz Eugen. Viele der Bürger*innen fühlen sich von der Stadtverwaltung nicht gehört – oder schlimmer noch, bewusst übergangen. Nachdem sie lange recherchiert hatten, in verschiedenen Medien auftraten und ausführlich ihre Gründe darlegten, hörte man von der Stadtverwaltung nach ihrer Aussage nur: „Wir wollen das, wir können das, wir machen das". Dass bei dieser Entscheidung so wenig auf die Menschen geachtet wird, die es am meisten betrifft und die Unwilligkeit, über Fragen wie diese offen mit den Bürger*innen zu diskutieren, stimmt viele Anwohner*innen wütend. „Das geht gegen mein Demokratieverständnis“, erklärte uns einer von ihnen.
Am Ende bleibt die Frage, wie eine Gesellschaft mit ihrer Geschichte umgeht und welche Verantwortung sie für die Erinnerung an historische Figuren trägt. Die Umbenennung der Prinz-Eugen-Straße ist nicht nur eine lokale Entscheidung, sondern spiegelt auch den schwierigen Umgang mit komplexen historischen Erben wider. Die klare Ablehnung vieler Anwohner*innen und auch die Bitte nach einem aufgeschlossenen Dialog zeigt, dass ein respektvoller und offener Umgang über die Bedeutung von Geschichte und Erinnerung notwendig ist, um nicht nur Vergangenheit zu bewältigen, sondern auch die Gegenwart und Zukunft gemeinsam zu gestalten.
Nach unseren Gesprächen mit den Anwohner*innen waren wir absolut begeistert von der ausführlichen Recherche, den Argumenten sowie Gegenargumenten und der Freundlichkeit, die uns entgegengebracht wurde. Mit dicken Mappen voller Zeitungsartikeln, Dokumenten und Briefen wurden wir in so einigen Häusern begrüßt — was wir lernten, war, dass die Anwohner*innen nicht nur ein tiefes Interesse an ihrem Viertel und seiner Entwicklung hatten, sondern auch eine bemerkenswerte Bereitschaft zeigten, sich intensiv mit der Geschichte ihrer Prinz-Eugen-Straße auseinanderzusetzen.
Doch ob sich diese Mühen letztlich auszahlen, wird sich im April zeigen, wenn die endgültige Entscheidung zur Umbenennung fällt.