Kunst & Kultur
„Der Name der Rose“ — Mönche, Morde, Meisterwerke
26. Februar 2025
Wie beginnt man eine Rezension über ein literarisches Meisterwerk? Wie spricht man über ein Buch, über welches schon zigmal gesprochen wurde? „Der Name der Rose“ ist der erste Roman des italienischen Autors Umberto Ecos und es brachte ihm den Welterfolg; nicht ohne Grund — das Werk erstaunt in Komplexität, Qualität, Handlung, literarischer Tiefe und der perfekten atmosphärischen Wiedergabe des Mittelalters.
Mir fiel der Einstieg in eine Rezension nicht leicht. Worte zu einem Roman zu finden, der mich so sprachlos zurückgelassen hat, schien wie eine Sache der Unmöglichkeit. Was sollte ich denn auch sagen? Natürlich konnte ich die Worte „unglaublich“, „fesselnd“ und „berührend“ noch so oft in den Mund nehmen, aber alles was ich schrieb schien die Größe des Romans nicht einfangen zu können. „Der Name der Rose“ ist intellektuelle und philosophische Hochliteratur und sollte als solche behandelt werden, aber wie konnte ich dies anstellen, wenn meine Worte dem Inhalt, der Komplexität nicht gerecht wurden?
Ich könnte tausende Seiten über die Art füllen, wie mich das Buch hat fühlen lassen. Wie perfekt die Atmosphäre getroffen wurde. Wie multidimensional die Konflikte — theologisch, politisch, moralisch — waren. Welch wichtige Rolle das Lachen, Humor, spielt. Wie Liebe, Verlust, Mord sich in ein Mysterium zusammenfügte was beim Lesen meine Welt einnahm. Wie Charaktere so Facettenreich beschrieben wurden, dass sie in meinem Kopf zu sprechen begannen. Wie Umberto Eco es geschafft hat, Seiten mit so viel historischem Wissen zu füllen, mit langen Monologen und Dialogen, die mir jedoch nie langweilig vorkamen, sondern so, als ob sie die Geschichte lebendig machten
Ganze lateinische Absätze haben mir ebenfalls nicht das Interesse geraubt (und das soll was heißen!), ganz im Gegenteil, sie hatten einen gewissen Charme, mit jeder Zeile wurde ich in eine äußerst dichte und verdammt spannende Geschichte hineingezogen — noch nicht einmal Latein konnte mir das ruinieren!
Nun aber für die Unwissenden: Das Buch beginnt im späten 14. Jahrhundert. Der alte Mönch Adson versucht eine Begebenheit seiner Jugend aufs Papier zu bringen, in welcher er und sein damaliger Meister William von Baskerville versuchten eine Mordserie innerhalb einer Benedikterabtei aufzuklären. William von Baskerville ist ein Franziskermönch, der im Auftrag des Kaisers Ludwig IV. innerhalb des Klosters gegenüber der Gesandtschaft des Papstes Johannes XXII. die Stellung vertreten soll, dass Jesus Christi arm gewesen sei. Dies sollte dem Kaiser einen Vorteil im Machtkampf um den Heiligen Stuhl verschaffen. Bevor es allerdings zu diesem Treffen kommen konnte, bittet der Abt des Klosters William, der für seinen außergewöhnlichen Scharfsinn bekannt ist, und somit indirekt auch Adson, um Hilfe: ein Mönch scheint auf äußerst ungewöhnlicher Weise Selbstmord begangen zu haben — William soll dies untersuchen. Als William und Adson sofortig beginnen Nachforschungen anzustellen werden sie mit einer Mordserie an Mönchen konfrontiert, deren Tod stets nach den sieben Posaunen der biblischen Apokalypse inszeniert zu sein scheint.
Zudem ist Eile geboten, denn mit der Ankunft der päpstlichen Legation, kündigt sich auch das Ankommen des Bernhard Gui an. Ein grausamer und kaltherziger Inquisitor, der einen Widersacher Williams darstellt und mit seinen inquisitorisch-typischen Folter-Untersuchungsmethoden gegen Ketzer vorgeht.
Übrigens: die Handlung so aufzuschreiben ist deutlich einfacher, als sie zu erklären. Damit habe ich nämlich schon ungünstige Erfahrungen gemacht: „Oh, worum es geht? Äh, Mönch-Mord?“ — nicht, dass ich das Buch beim Lesen nicht verstanden habe, aber ein so umfangreiches Buch auf ein paar Sätze zusammenzufassen war für mich genauso unmöglich wie es in einem Tag durchzulesen. Wobei wir bei einem Punkt wären, der mich am meisten beeindruckte und andere Leser*innen wohl am meisten ärgerte: Komplexität.
Es behandelt Themen wie Kultur, Religion und Geschichte des späten Mittelalters, geht aber zugleich auf die Gedanken und Gefühle der einzelnen Figuren ein, die das Fundament einer Handlung bilden, die in ihren Verzweigungen epische Ausmaße erreicht. Für den Leser kann es dabei schwierig sein, den Überblick zu behalten und den roten Faden der Geschichte zu verfolgen.
Überhaupt bin ich bei meiner weiteren Recherche über viele Rezensionen gestolpert, die so etwas ähnliches wie „das dauernde seitenlange Gelabere über die Historik der Kirche geht mir so dermaßen auf die Nerven“ sagten und weißt du was? Fair. Ist eben so, entweder man mag das oder man mag das nicht. Mir persönlich hat das dauernde seitenlange Gelaber sehr gut gefallen, aber das Buch trägt eben ein klassisches Dilemma mit sich: entweder du hasst oder liebst es.
Wer sich jedoch die Zeit nimmt, genauer hinzusehen und Ecos einzigartigem Erzählstil Raum zu geben, wird bald von jeder einzelnen Zeile in eine tiefgründige und packende Erzählung hineingezogen. Es ist weniger das, was passiert, als das, was nicht sofort sichtbar wird, das den Leser in den Bann zieht. Die Figuren, tief in ihre eigenen Widersprüche und Dilemmata verstrickt, sind nicht nur Träger der Handlung, sondern auch Spiegelbilder des philosophischen und moralischen Diskurses, der das Werk durchzieht. Aber auch wenn die Geschichte große Konflikte und komplexe theologische Fragestellungen, wie Häresie, die Dolcinianer oder die Werke von Aristoteles, behandelt — Elemente, die ein vielschichtiges Bild des mittelalterlichen Lebens zeichnen und die meiner Ansicht nach einen großen Teil des Wertes dieses Buches ausmachen — bleibt das zentrale Anliegen der Aufklärung des Verbrechens der dominierende Erzählstrang. Und dieser wird vor allem durch die beiden Hauptfiguren, William und Adson, lebendig.
Man wird in eine Welt des späten Mittelalters hineingezogen, eine Zeit voller religiöser Spannungen, philosophischer Debatten und mysteriöser Intrigen — eine Verbindung zwischen Geschichte und Story, Handlung und Historischem wird so aufgebaut, dass ich nicht anders konnte, als mich in dem Kloster, in Adson dem eifrigen Lehrling und den raffinierten William von Baskerville zu verlieren. Aber es ist schwer etwas zu Beschreiben, das sich selbst so schwer begreifen lässt.
Was dieses Buch zu einem Meisterwerk macht, ist nicht nur die brillante Verschmelzung von Historie und Fiktion, sondern auch die Art und Weise, wie Eco den Leser konstant herausfordert. Keine Antwort bleibt endgültig, keine Idee bleibt unantastbar. Mit diesem Buch hat Umberto Eco eines der bedeutendsten Meisterwerke der Weltliteratur geschaffen.
Wie spricht man also über ein Buch, über welches schon zigmal diskutiert wurde? Vielleicht ganz einfach, indem man versucht, das Gefühl zu beschreiben, das es bei einem hinterlässt. Trotz der vielen Diskussionen und der Fülle an Interpretationen, die „Der Name der Rose“ hervorgerufen hat, bleibt das Buch ein lebendiges Erlebnis. Es fordert uns heraus, nicht nur als Leser, sondern auch als Denker.
Und vielleicht ist genau das die wahre Stärke des Romans: dass er uns nicht nur eine Geschichte erzählt, sondern uns in eine Welt voller Rätsel und Fragen hineinzieht, die wir auch nach dem Lesen nicht mehr ganz hinter uns lassen können.