Gesellschaft & Wissenschaft
Die Degradierung eines Charakters: was bedeutet es gefridged zu werden?
28. Mai 2024
Zunächst möchte ich das englische Verb "to fridge" definieren. Wikipedia erklärt es so:
The term "Women in Refrigerators"[...] refers to an incident in Green Lantern #54 (1994), written by Ron Marz, in which Kyle Rayner, the title hero, comes home to his apartment to find that his girlfriend, Alex DeWitt, had been killed by the villain Major Force and stuffed in a refrigerator. [...]
(dt. Der Begriff "Woman in Refrigerators" [...] bezieht sich auf einen Vorfall in Green Lantern #54 (1994), geschrieben von Ron Marz, in dem Kyle Rayner, der Titelheld, nach Hause in seine Wohnung kommt und feststellt, dass seine Freundin, Alex DeWitt, vom Bösewicht Major Force getötet und in einen Kühlschrank gesteckt worden ist. [...])
Die Autorin Gail Simone prägte den Begriff Anfang 1999 während einer Online-Diskussion über Comics. Simone und ihre Freunde erstellten daraufhin eine Liste fiktiver Charaktere, Superhelden, die „getötet, verstümmelt oder entmachtet“ wurden.
Der Begriff wird auch allgemeiner verwendet, um die Tötung einer weiblichen Figur zu bezeichnen, die nur gestorben ist, um eine bequeme Quelle der Angst für eine andere Figur, normalerweise eine männliche, zu sein. Es geht darum, der Frau ihre Persönlichkeit zu nehmen und sie einzig allein als Symbol leben zu lassen. Diese Frau lebt und stirbt, und was das für sie bedeutet, ist unwichtig. Sie hat dabei kein Mitspracherecht – im Allgemeinen ist ihr Tod nicht einmal ein heroisches Opfer, sie ist einzig und allein ein Opfer. Ihr Leben und ihr Tod sind nur deshalb wichtig, weil sie einem Mann etwas bedeuten. Meistens scheint es nicht einmal so zu sein, dass die männliche Figur sie als die Person vermisst, die sie war. Es ist eher so, als würde er sie für das vermissen, was sie repräsentiert hat. So rauben Autoren einem alles, was die Figur ausmacht, und lassen sie nur existieren, für die Geschichte eines Anderen.
In Dark Knight Returns beispielsweise stellt Maggie Gyllenhaals Rachel Dawes Batmans letzte Chance auf ein normales Leben dar. Dieser Frau wird Gewalt angetan, nicht um zu verstehen, wie sie damit umgeht oder um ihrem Charakter etwas hinzuzufügen, sondern um die Moral der Männer um sie herum zu demonstrieren. Ihr Tod hat Bruce Wayne getroffen, aber ihr Schmerz ist nicht ihr eigener und ihre Wirkung basiert auf dem, was die Männer in ihrem Leben für sie empfinden. Grundsätzlich existieren fridged Frauen also nur, um den Handlungsverlauf der Männer zu beeinflussen.
Fridging existiert in einem Kontext, in dem Frauen im Allgemeinen, aber insbesondere schwarze und queere Frauen, in der Fiktion nicht so stark vertreten sind wie eigenständige Charaktere, sondern als Unterstützung für einen (normalerweise heterosexuellen und weißen) männlichen Hauptdarsteller.
Vor allem die Comic Industrie ist bekannt dafür, meist, aber nicht ausschließlich, weibliche Charaktere übersexualisiert darzustellen. Also, die Art, wie in Martha Nussbaumers Sex and Social Justice erklärt, den Charakter „zum sexuellen Objekt zu degradieren.“ Das bedeutet nicht nur, dass die Figur unbekleideter dargestellt, aber auch, dass die Persönlichkeit des Charakters ausgelöscht wird — fridging.
Aber das eigentliche Problem von fridging ist nicht, dass „Charaktere niemals durch den Verlust eines weiblichen Liebesinteresses motiviert sein sollten“.
Es geht vielmehr darum, dass Frauenfiguren, insbesondere in bestimmten Literaturgattungen, dazu neigen, nur als Handlungsinstrument zu existieren. Sie sind lediglich eine Schmerzquelle für den männlichen Hauptcharakter.
Es degradiert Frauen nicht nur zu entscheidungslosen Handlangern in der Geschichte eines Mannes. Es unterstützt ebenfalls den Gedankengang, dass Frauen für Männer um sie herum am einflussreichsten, wichtigsten und relevantesten sind, wenn sie gewaltsam gefoltert oder ermordet werden.
"Woman in Refrigerators" macht eine weibliche Figur nicht nur wegwerfbar; Es macht sie normalerweise auf schrecklich quälende oder gewalttätige Weise entbehrlich. Oft wird sie zunächst machtlos gemacht — die ihr zugefügte Gewalt steigert die Trauer des Helden über das, was ihr widerfährt. Nicht ihr Tod ist entscheidend, die Reaktion des Hauptcharakters macht ihre alleinige Persönlichkeit aus.
Wenn ihr das nächste Mal einen Film oder eine Serie seht, ein Buch lest oder ein Hörspiel hört, finde ich es ziemlich interessant, einmal darauf zu achten, welche Rollenanteile existierende (weibliche) Figuren tatsächlich in fiktiven Medien erhalten. Ist die Rolle tatsächlich eine prägende für die Geschichte oder ist das, was sie für andere Charaktere repräsentiert, im Endeffekt relevanter als eine Persönlichkeit?